Das Klima in Uganda ist rau für Kältemechatroniker. „Jeder kann dich ausbeuten, wie er möchte“, sagt Andrew. Sein Nachname sei zu kompliziert, der studierte Klimatechniker aus Kampala möchte ihn nicht nennen. Und auch nicht noch einmal all die schlimmen Erinnerungen wecken, die zum Bruch mit seiner Heimat geführt haben. „Deutschland war noch nicht das Ziel, ich wollte einfach nur weg“, sagt er. Bei seiner Onlinerecherche stieß Andrew auf eine FSJ-Stelle in Baden-Württemberg und erkannte die Chance, über den Freiwilligendienst kostengünstig einzureisen, vor Ort sein Deutsch zu verbessern und wieder in die Kältetechnik einzusteigen: „Ich habe alles gegeben, um die Sprache zu lernen“, sagt er.
Heute ist Andrew bei Bärenkälte unter Vertrag – und der beste Azubi im zweiten Lehrjahr, lobt Personalleiter Sebastian Schlösser. Dass der FSJler aus dem Schwarzwald und der Hamburger Kältetechnikbetrieb zusammenkamen, hat mit „lustigen Bärenkälte-Videos auf Instagram“, einem dunkelhäutigen Gesellen und einem erfolgreichen Praktikum zu tun. „Ich war sehr glücklich, ich konnte alles vergessen, was ich durchgemacht hatte.“ Andrew spricht im Präteritum, weil ihn aktuell Finanzsorgen plagen. Nebenbei verdient sich der Azubi Geld in der Pflege hinzu, da seine Mietkosten in Hamburg horrend sind. „Das Schlimmste ist der Wohnungsmarkt“, bestätigt Schlösser. Dazu kommen organisatorischer Aufwand und langwierige Verfahren, selbst wenn der Kandidat schon im Land ist. So hat Andrew auch im zweiten Ausbildungsjahr noch keinen aktualisierten Aufenthaltstitel: „Meine Akte aus Schramberg ist hier noch nicht angekommen“, beklagt er. In der aktuellen NORDMETALL- Konjunkturumfrage bewerten gut 60 Prozent der befragten Betriebe die Rahmenbedingungen für die Fachkräfteeinwanderung als unbefriedigend oder gar schlecht.
Dennoch will künftig gut die Hälfte im Ausland rekrutieren und das Interesse an Azubis aus Drittstaaten wachse stetig, sagt Loraine Awizus, Teamleiterin Arbeitsmarkt bei NORDMETALL: „Sich bei der strategischen Nachwuchsgewinnung auch Richtung Ausland zu wenden, ist für einige Betriebe bereits zur Notwendigkeit geworden.“ Der Verband versteht sich dabei als Multiplikator für Programme, die sowohl für das Heimat- als auch das Aufnahmeland gewinnbringend sind. „Ausschlaggebend ist, dass es nicht zu einem Braindrain kommt und faire Bedingungen für alle Seiten gelten“, betont Awizus.
60 % der Betriebe sind mit dem Rahmen der Fachkräfteeinwanderung unzufrieden.
NORDMETALL-Konjunkturumfrage – Frühjahr 2025
Programme als Win-Win begreifen
So das THAMM-Plus-Projekt, das in den für NORDMETALL relevanten Metall- und Elektroberufen rekrutiert. Es vermittelt zwischen Nordafrika und Europa und hat nach eigenen Angaben in der ersten Projektphase schon mehr alsr 430 Azubis und junge Fachkräfte nach Deutschland gebracht. Aber wie viele sind noch dort beschäftigt, wo in ihre Ausbildung und Integration investiert wurde? Das ist eine Frage, die Unternehmer umtreibt. Besonders, wenn sie fernab der Metropolen agieren, so wie Langer E-Technik in Niedersachsen: „Ich verstehe, dass Varel nicht der Nabel der Welt ist“, sagt Geschäftsführer Helge Zink. Nach fünf Jahren Erfahrung mit Azubis aus dem außereuropäischen Ausland fällt seine Bilanz gemischt aus. Von den ersten fertigen drei Elektronikern hat er zwei an Großstädte verloren. Zink bleibt dennoch dran: „Es soll zumindest kein Druck entstehen, wegzugehen. Bei einem Sog sind wir machtlos.“
Daher lautet die Botschaft in Varel, dass niemand allein gelassen werde, angefangen bei der Einwanderung, dem Kontakt mit der Ausländerbehörde und der Agentur für Arbeit bis zur Integration. „Die jungen Leute kommen mit nichts weiter als einem Koffer an, wir holen sie ab, halten eine ausgestattete Betriebswohnung vor, helfen beim Einwohnermeldeamt, der Eröffnung eines Bankkontos, und ein Handy bekommen sowieso alle Mitarbeiter von uns.“ Viel Engagement, das bei zwei neuen Azubis aus Marokko und einem aus dem Iran auf viel Dankbarkeit stößt: „Die sehen es als Megachance an, dass sie bei uns gelandet sind, sind sehr stolz und motiviert“, sagt Zink. Für die Auswahl seien Ausbildungsneigung und mittlere Deutschkenntnisse zentral. Letztere werden auch per Videocall überprüft und im ersten Lehrjahr von einer von Langer E-Technik engagierten Deutschlehrerin gefördert.
50 % der Betriebe wollen Fachkräfte
NORDMETALL-Konjunkturumfrage – Frühjahr 2025
aus dem Ausland gewinnen.
Software zur Verständigung nutzen
So viel Aufwand will und kann nicht jeder Mittelständler leisten. „Ich halte es für utopisch, dass jemand, der acht Stunden auf der Baustelle arbeitet, anschließend noch eine Fremdsprache lernt“, sagt Sebastian Schlösser. Von einem Gesellen aus dem Iran, der zwar fachlich von der Handwerkskammer schnell anerkannt wurde, aber sprachlich keine Fortschritte machte, musste sich der Betrieb wieder trennen. Auch den fünf bis sechs Bewerbungen, die ihn wöchentlich aus Nordafrika erreichen, sagt der Personalleiter „freundlich, aber deutlich ab: In der Regel haben die Bewerberinnen und Bewerber Sprachniveau B2, das mit viel Wohlwollen ausgestellt wurde – und nicht ausreicht.“ Ändern könnten dies in der Zukunft Systeme der Simultanübersetzung. Bärenkälte testet gerade eine Software an einem deutsch-polnischen Tandem aus Azubi und Geselle und ist schon recht angetan. „Jeder, der hier einreist und die Perspektive hat zu bleiben, sollte so ein Kopfhörer-Set bekommen“, empfiehlt Schlösser und spricht von einem Meilenstein, weil das den Druck nehme, die Sprache ganz schnell zu lernen.
Mit dem Hamburger Welcome-Center ist Schlösser zufrieden, auch die Anerkennungsprozesse seien schneller geworden. Andere Betriebe erlebten hingegen überlastete Behörden und lange Wartezeiten, berichtet Loraine Awizus. „Das Verfahren muss schlanker und transparenter werden“, fordert sie und hat einen konkreten Vorschlag: Über einen digitalen Account sollten die Arbeitgeber sehen können, wo Wissbegierig: Die Auszubildenden Andrew (r.) und Lucas (l.) lassen sich im M+E InfoTruck eine Maschine erklären. das Verfahren gerade steht und wo es aktiv hakt. Dann bliebe den Betrieben auch mehr Zeit für das Wesentliche. Helge Zink resümiert: „Ohne Aufwand und ein positives Menschenbild geht es nicht.“ Gerade ist ein marokkanischer Azubi auf den Langer-E-Technik-Geschäftsführer zugekommen, mit einem offiziellen Schreiben in der Hand und einem Fragezeichen im Gesicht: was denn genau ein Rundfunkbeitrag sei …
Kontakt:
Loraine Awizus
Teamleitung Arbeitsmarkt
Tel.: 040 6378-4212
E-Mail: awizus@nordmetall.de
Personalvermittlung by UdW
Die Unternehmensberatung der Wirtschaft GmbH (UdW) mit Sitz in Schwerin unterstützt Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern bei der Vermittlung von Fach- und Arbeitskräften – einschließlich Auszubildender – aus Drittstaaten. Sie berät umfassend zu rechtlichen und kulturellen Aspekten, unterstützt bei Visa- und Aufenthaltsgenehmigungen sowie bei der betrieblichen und gesellschaftlichen Integration der neuen Kolleginnen und Kollegen. „Die persönliche Betreuung der Unternehmen und ihrer ausländischen Beschäftigten während des gesamten Vermittlungsprozesses ist uns besonders wichtig. Die Begleitung durch Spezialisten erhöht die Zufriedenheit auf beiden Seiten – sowohl beim Arbeitgeber als auch beim Beschäftigten“, sagt Sandra Jackl, Bereichsleiterin Personalvermittlung Fachkräfteeinwanderung. Ein Vorteil der UdW ist ihre regionale Verwurzelung. NORDMETALL und AGV NORD sind Gesellschafter der GmbH. Sprachtrainings werden durch Partner vor Ort in den Herkunftsländern realisiert. Kontakt: Sandra Jackl, UdW GmbH, E-Mail: jackl@udw.de, Telefon: 0176 15614633
Mehr zur Ausbildung bei Bärenkälte im Video:
Fotos: shutterstock (Gute Träume-Studio); Bärenkälte GmbH; Christian Augustin; Adobe Stock (Peter Hermes Furian)