Mein Standpunkt: Kärrnerarbeit

„Kommunikation nicht als Leerstellenverbreitung, sondern als Klartext“, Alexander Luckow, „Standpunkte“-Chefredakteur

Der Duden definiert „Drecksarbeit“ knapp: Arbeit, die jemand verabscheut, das sei die „Drecksarbeit“. Der Kanzler wagte jüngst, diesen stigmatisierenden und stigmatisierten Begriff aufzunehmen. Eine Fernsehjournalistin hatte ihn gefragt, ob denn die israelische Armee mit ihren Angriffen auf militärische Objekte im Iran nicht die „Drecksarbeit“ für die freie Welt mache. Und Friedrich Merz bejahte, nahm das böse Wort gar selbst in den Mund – Deutschlands selbsternannte Sprachwächter und die große Volksgruppe der Völkerrechtskenner schäumten.

Lassen wir mal beiseite, dass ein in seiner Existenz ernsthaft bedrohtes Land durchaus das völkerrechtlich verbriefte, „naturgegebene Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung“ (UN-Charta Art. 51) inklusive Präventivschlag gegen einen anerkannten Schurkenstaat nutzen kann. Und wenden uns der Tatsache zu, dass ein deutscher Bundeskanzler in einem Interview erstmals wieder Tacheles geredet hat. Ohne unter Einsatz ausweichender Politstanzen um das Problem herumzureden, wie Merz‘ Vorgänger es gern tat, dem wir den Begriff des „Rumscholzens“ verdanken. Ohne lächelnd mit möglichst simplen Alltagsweisheiten à la „Schwäbische Hausfrau“ von unangenehmen Fragen abzulenken, wie es die Vorvorgängerin konnte. Stattdessen einfach direkt und griffig „Ja … Drecksarbeit.“

Mir macht das Hoffnung, ehrlich: dass da einer im Kanzleramt sitzt, der Kommunikation nicht als Leerstellenverbreitung ansieht, sondern Klartext redet und auch vor negativ besetzten Begriffen nicht zurückscheut. „Kärrnerarbeit“ ist auch so ein Wort. Die wartet auf den Kanzler und seine Regierung in der Innenpolitik: Bei der überfälligen Erarbeitung eines Rentenkonzepts, das auch im kommenden Jahrzehnt noch trägt. Bei der Rückführung der ausufernden Sozialquote auf 40 Prozent. Beim harten Rückschnitt der lähmenden Bürokratie in Deutschland. Und ja, auch bei der Wiedergewinnung einer echten Verteidigungsfähigkeit dieses Landes – damit wir für „Drecksarbeit“ gerüstet sind, die gemacht werden muss, wenn ein anderer Schurkenstaat uns angreifen sollte.

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Foto: Christian Augustin