Termin beim Chef: Dr. Lars Greitsch

Dr. Lars Greitsch steht seit 2016 an der Spitze der Mecklenburger Metallguss GmbH (MMG). Der promovierte Maschinenbauer hat das Unternehmen mit Innovationsgeist, Nachhaltigkeitsfokus und technischer Exzellenz weiterentwickelt.

Wenn in Busan oder Shanghai ein Containerschiff vom Stapel läuft, steckt häufig ein Stück Waren an der Müritz mit drin. Genauer gesagt: ein Propeller von Mecklenburger Metallguss (MMG). Das Traditionsunternehmen produziert mitten in der Seenplatte Mecklenburg-Vorpommerns mit großer Fertigungstiefe hochspezialisierte Schiffspropeller – Einzelanfertigungen von bis zu 130 Tonnen Gewicht, die millimetergenau auf die hydrodynamischen Bedingungen des jeweiligen Schiffs abgestimmt sind. Etwa 90 Prozent der Produkte gehen in den asiatischen Markt, insbesondere nach Südkorea und China.

Der Erfolg des Weltmarktführers für große Containerschiffspropeller hat einen Vater: Dr. Lars Greitsch steht seit 2016 an der Spitze des Unternehmens. Der gebürtige Gummersbacher fand nach dem Studium in Rostock den Weg zur MMG, promovierte 2009 in Hamburg als Maschinenbauingenieur und stieg dann zum Leiter der Forschung und Entwicklung auf. „Ich habe schon als Kind alles auseinandergebaut, was mir in die Finger kam, einfach um zu verstehen, wie Dinge funktionieren“, sagt er. „Diese Faszination für Technik begleitet mich bis heute.“

Dr. Lars Greitsch, Geschäftsführer der Mecklenburger Metallguss GmbH, umgeben von tonnenschweren Schiffspropellern.

Globale Nische, lokale Wucht

Die Kombination aus hydrodynamischer Entwicklung und hochspezialisierter Fertigung unter einem Dach ist das Alleinstellungsmerkmal der Warener Propeller-Schmiede. „Die meisten unserer Wettbewerber sitzen in Asien, aber kaum einer bietet diesen Entwicklungs- und Fertigungstiefgang wie wir“, sagt Greitsch. Zu einer besonderen Erfolgsgeschichte hat der MMG-Chef das sogenannte Retrofit-Geschäft geführt: Der Austausch von Propellern auf älteren Schiffen zur Effizienzsteigerung ist ein weiteres wachsendes Geschäftsfeld. „Mit optimierten Propellern können Reeder erhebliche Kraftstoffmengen einsparen. In Summe hat die Branche durch diese Projekte seit 2013 rund 17 Millionen Tonnen CO² eingespart“, sagt der in Nachhaltigkeitsfragen engagierte 49-Jährige.

Erfolg mit Forschung und Flexibilität

Als Greitsch zur MMG kam, baute er die Forschungsabteilung aus dem Nichts auf. „Wer als einziger großer Propellerhersteller außerhalb Asiens bestehen will, muss technologisch nicht nur mithalten, sondern vornedran sein.“ MMG setzt auf modernste Strömungssimulationen, neue Legierungen für besondere Anforderungen und fertigt teils sogar geräuschoptimierte Sonderbronze-Propeller für Forschungs- oder Marineschiffe. Gemeinsam mit dem Rostocker Fraunhofer-Institut haben die Warener einen Schwerlastroboter entwickelt, der in der MMG-Fertigung eingesetzt wird – ein Beispiel für den hohen Automatisierungsgrad, der auch bei Spezialteilen Einzug hält.

Trotz internationaler Ausrichtung ist das Werk mit seinen rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fest an der Müritz verwurzelt. „Unser Herz, Hirn und unsere gesamte Produktentwicklung sind hier in Mecklenburg-Vorpommern“, betont Greitsch. Am Standort werden seit mehr als 150 Jahren Metallprodukte gegossen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfügten die sowjetischen Besatzer, dass hier Schiffspropeller gefertigt werden sollten, die als Reparationsleistung der DDR nach Russland gingen. Die Lage des Werks bringt seit eh und je Herausforderungen mit sich: Der Transport der riesigen Propeller erfolgt in der Regel per Schwerlasttransport über kurvige Landstraßen und Autobahnen voller altersschwacher Brücken nach Hamburg, von dort aus per Schiff in die Welt. „Wir sind auf gut ausgebaute Infrastrukturen angewiesen. Die Norderelbbrücke vor Hamburg etwa ist ein Nadelöhr, das wir regelmäßig im Schritttempo passieren müssen“, berichtet Greitsch. Eine ähnliche bröckelnde Betonhürde vor dem Rostocker Hafen würde zwar demnächst instand gesetzt, aber von dort gehe der Schiffstransport nur nach Hamburg mit erneutem Umladen – ein Zusatz-Kostenfaktor.

Kaum Kopfschmerzen bereitet dem MGG-Chef dagegen ein Thema, das andernorts viel Kopfzerbrechen bereitet: Der Fachkräftemangel trifft MMG kaum, das Unternehmen zieht mit seinem besonderen Produkt Bewerber aus ganz Deutschland an. „Ein Propeller ist etwas Greifbares, Massives. Viele junge Ingenieurinnen und Ingenieure sind begeistert, wenn sie sehen, was wir hier machen.“ Auch für internationale Fachkräfte ist MMG attraktiv, die Arbeitssprache in vielen Bereichen ist Englisch. Wer den Reiz der technischen Komplexität und der Lebensqualität im ländlichen Raum verbindet, findet in Waren einen attraktiven Arbeitsplatz.

Maritime Politik mitgestalten

Greitsch engagiert sich seit Jahren für die Interessen der Branche. Als Vorsitzender des IHK-Ausschusses für maritime Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern hat er aktiv an einem neuen Strategiekonzept mitgewirkt. „Unsere Branche bietet spannende Aufgaben: Von der Dekarbonisierung der Schifffahrt bis zur Offshore-Windindustrie. Es ist wichtig, dass wir als Branche sichtbarer werden und jungen Menschen Perspektiven bieten“, sagt der MMG-Chef, dessen Unternehmen seit Jahren im AGV NORD Mitglied ist. Gerade wurde seine Kollegin, die MMG-Geschäftsführerin und Personalchefin Katrin Beuster in den Vorstand des Arbeitgeberverbandes flächentariffreier Unternehmen gewählt.

Um der maritimen Wirtschaft im Nordosten eine sichere Zukunft zu gewährleisten, wird noch viel Arbeit nötig sein, weiß Greitsch. Im Strategiekonzept für die Branche werden zehn Kernmaßnahmen identifiziert, darunter die Stärkung der Bildungslandschaft, die Modernisierung von Beschaffungsprozessen für Behördenschiffe und eine gezielte Imagekampagne für die maritime Industrie Mecklenburg-Vorpommerns: „Wir dürfen nicht zulassen, dass dieser traditionsreiche und zugleich zukunftsweisende Wirtschaftszweig aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerät“, sagt der Unternehmenslenke.

Vision für die Zukunft

Bis 2040 möchte Lars Greitsch MMG klimaneutral aufstellen. Erste Schritte in Richtung CO² -freier Produktion sind bereits in Umsetzung: Das Unternehmen verfügt über ein zertifiziertes Energiemanagementsystem, arbeitet an Projekten zur Wärmerückgewinnung und entwickelt neue Prozessketten mit weniger Energieeinsatz. „Unser Anteil der Energiekosten am Umsatz liegt derzeit bei etwa viereinhalb Prozent, das ist beherrschbar. Aber wir müssen dennoch weiterdenken“, betont Greitsch.

Auch deshalb treibt der agile Chef neue Geschäftsfelder voran: Anwendungen im Maschinenbau, Großguss aus Aluminium, Komponenten für Gezeitenkraftwerke und große Pumpenlaufräder gehören zur erweiterten Produktpalette. „Unsere technische Kompetenz ist hoch, wir können mehr als Propeller – das werden wir in den kommenden Jahren noch stärker zeigen“, sagt Greitsch und hat dabei auch die volatile Weltlage im Hinterkopf, die es nicht ausgeschlossen erscheinen lässt, dass eines Tages auch China als Markt auf der Kippe stehen könnte. Privat hat sich Lars Greitsch mit Frau und Tochter in Hohen Schwarfs nahe Rostock niedergelassen. Dort frönt er einem anderen Technik-Hobby, dem Reparieren von Oldtimern aus den sechziger und siebziger Jahren, mit Vorliebe Alfa Romeo und Mercedes – Qualität und Tempo faszinieren den Maschinenbauingenieur privat und beruflich.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass dieser traditionsreiche und zugleich zukunftsweisende Wirtschaftszweig aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerät.“

Mecklenburger Metallguss

1892 als metallurgischer Betrieb in Waren an der Müritz gegründet, mauserte sich die MMG bis heute zum Weltmarktführer für imposante Schiffspropeller mit bis zu zehn Metern Größe. Nach einer Delle zum Anfang des Jahrzehnts erholte sich der Umsatz in 2023 wieder auf gut 100 Millionen Euro.

Fotos: Christian Augustin, Mecklenburger Metallguss GmbH