Wir schlagen nach im Wörterbuch und finden folgende Definition: Geduld, das sei „ruhiges und beherrschtes Ertragen von etwas, was unangenehm ist oder sehr lange dauert“. Ich gehöre der wachsenden Gruppe von Menschen in diesem Lande an, denen diese Eigenschaft gegenüber der Politik zunehmend abgeht. Und das nicht aus unangemessenem Hochmut oder ungezähmter Hektik, sondern weil sich in Deutschland einfach zu wenig bewegt.
Beispiel Bildungspolitik: Seit der ersten Pisa-Studie wissen wir, dass die Jugend des Landes dringend besser lesen, schreiben, rechnen können sollte. Ein Vierteljahrhundert später ist es mit dem Niveau dieser Grundbildung nicht etwa aufwärts gegangen – im Gegenteil, es hat sich weiter dramatisch verschlechtert, was uns Ausbildungsleiter genauso bestätigen wie die Ergebnisse des neuesten Bildungsmonitors. Den Bildungsabstieg auf illegale Zuwanderung oder mangelnde Integration zu reduzieren, wäre verfehlt. Es ist die Bildungspolitik, die fast überall versagt, zuvörderst in Bremen, wo man seit Jahrzehnten weder deutlich mehr Geld in die Hand nimmt noch Leistungsziele höher hängt und ansonsten das Fordern neben dem Fördern vergisst – Dauerabo Rote Schullaterne. Immerhin, Hamburg bleibt leuchtendes Vorbild dafür, wie man es über gut zwanzig Jahre unter wechselnden Senaten konsequent besser macht.
Beispiel Verkehrspolitik: Seit mehr als drei Jahrzehnten wird die A 20 geplant, eine norddeutsche Autobahnquerung von der Uckermark bis zum Jadebusen. Seit zwölf Jahren ist in Bad Segeberg Schluss, Hamburg bleibt als einzige europäische Millionenmetropole weiter ohne Autobahnring. Das liegt nicht nur an überzogenen Einspruchsrechten und klagefreudigen Umweltaktivisten, das liegt nun plötzlich auch am Bundesfinanzministerium: Im 500-Milliarden-Infrastrukturpaket sei dafür nicht genug übrig, für die A 26 quer durch den Hamburger Hafen auch nicht, heißt es lapidar. Der in allen Bundesverkehrswegeplänen seit Jahrzehnten vernachlässigte Norden soll weiter im Dauerstau stehen, mit ihm die norddeutsche Wirtschaft – ein Unding.
Beispiel Tariftreue: Seit vielen Jahren versagen Landestariftreuegesetze, führen nur zu verschleppten Vergabeprozessen, an deren Ende es dauerhaft in manches Klassenzimmer regnet, ganz zu schweigen von den Papierbergen, unter denen viele Mittelständler zusammenbrechen oder zumachen. Und die Zahl der tarifgebundenen Unternehmen steigt auch nicht. Das Ganze ist also ein massiver politischer Rohrkrepierer. Und dennoch will die Union es jetzt zulassen, dass die SPD dem ganzen Land diesen Unfug ins Bundesgesetzblatt schreibt – völlig inakzeptabel.
Viele Ungeduldige haben angesichts dieser und anderer politischer Versäumnisse längst aufgegeben und wählen extrem, könnten in ostdeutschen Bundesländern demnächst gar radikale Einparteienregierungen ermöglichen. Ich will das nicht tun. Aber meine Geduld, das „beherrschte Ertragen“ des fortgesetzten Scheiterns von Politik an der Realität, geht wirklich dem Ende entgegen.
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