Vor dem Genuss krosser Gänse und erlesener Getränke stellte NORDMETALL-Präsident Folkmar Ukena mit Blick auf die ernüchternden Ergebnisse der aktuellen Herbst-Konjunkturumfrage unter den Industrieunternehmen im Norden in seiner Begrüßungsrede fest: „Wir norddeutschen M+E-Arbeitgeber haben bisher nicht den Eindruck, dass es mit dem dringenden Aufbruch in unserem Lande schon so richtig losgegangen ist.“ Auch ein halbes Jahr nach dem Start der „nicht mehr so neuen Bundesregierung“ hätten sich die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland kaum verbessert, im Gegenteil: Es drohe neuer Bürokratieaufbau durch das im Gesetzgebungsprozess befindliche Bundestariftreuegesetz und die deutsche Umsetzung des EU-Entgeltransparenzgesetzes. Gleichwohl hätten die Arbeitgeber noch die Hoffnung, dass die Regierung eine Wende zum Besseren hinbekomme. „Aber wir haben nicht mehr viel Geduld“, so der Familienunternehmer aus dem ostfriesischen Leer.
Zur Themenstellung des festlichen Abends „Zwischen Rezession und Reformstau – wann geht’s los mit Wirtschaftswende und Bürokratieabbau?“ sprach danach Philipp Amthor MdB. Der Parlamentarische Staatsekretär im Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung betonte, dass es Anlass für „begründete Zuversicht“ gebe: Die Bundesregierung habe sich mit der vereinbarten Kostensenkung um 16 Milliarden Euro die ambitioniertesten Bürokratierückbauziele vorgenommen seit Beginn der Bundesrepublik Deutschland. An dieser Zahl werde nicht nur die schwarz-rote Koalition, sondern auch er persönlich sich messen lassen. Mit Blick auf Europa sagte der CDU-Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern: „Die Europäische Union ist gegründet worden, um den europäischen Binnenmarkt zu stärken und nicht, um uns zu Tode zu regulieren. Deshalb braucht es eine Änderung in der EU-Bürokratie.“ Darüber hinaus sei „Staatsmodernisierung eine Frage des Kulturwandels in Politik und Verwaltung. Schneller, handlungsfähiger, digitaler, nachprüfbarer – das ist mein Versprechen“, so Amthor.
In der anschließenden Podiumsdiskussion verlangte Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, dass die Tarifvertragsparteien insgesamt für mehr Flexibilität sorgen sollten. Die Tarifverträge böten dazu schon jetzt genügend Spielraum. „Wir sollten die Stimmung in diesem Land drehen, so dass wir zusammen anpacken, um aus dem konjunkturellen und dem Stimmungstief herauszukommen“, sprach die Erste Vorsitzende der Industriegewerkschaft. Beim Thema Bundestariftreuegesetz sprach sich Benner für eine unbürokratische Regelung aus. Eine Erklärung der Verbände, dass ein Unternehmen tarifgebunden sei, könne ausreichen.
Lena Ströbele, Geschäftsführerin der Lürssen Maritime Beteiligungen GmbH & Co. KG und NORDMETALL-Vizepräsidentin, reichten die Ankündigungen aus dem politischen Berlin nicht aus: „Mir fehlt es gewaltig an Mut. Es werden Dinge andiskutiert, aber wenn es zu den Zielkonflikten kommt, wird die Landung meistens etwas härter“, sagte sie in einem leidenschaftlichen Appell. An Gewerkschaft und Politik stellte Ströbele, die auch NORDMETALL-Tarifverhandlungsführerin ist, die Frage: „Wie schaffen wir es, dass die Sozialabgaben nicht Richtung 50 Prozent durchrauschen, sondern konsequent und nachhaltig runtergedrückt werden?“
Hamburgs Wirtschafts-, Arbeits- und Innovationssenatorin Dr. Melanie Leonhard erhielt viel Beifall für ihre Lageeinschätzung: „Die Menschen sind müde, eine Bundesregierung im Streit über eigentlich geeinte Themen zu erleben. Das ist Ampelregierung 2.0. Das stärkt nicht den Zusammenhalt.“ Dagegen sei der Kompromiss das Wesen der repräsentativen Demokratie. Und dafür brauche es die Akzeptanz der Bevölkerung. Deshalb plädierte die SPD-Politikerin dafür, Themen klug auszuhandeln – etwa bei Veränderungen in der Arbeitszeitgesetzgebung, für die sie grundsätzlich auch in ihrer Partei werbe. Bund und Länder müssten zeigen, dass sie Reformen möglichst bürokratiearm umsetzen könnten. Für Letzteres warb auch Philipp Amthor in seinen Debattenbeiträgen nachdrücklich.
Im Anschluss an die engagierte Diskussion wurden Gänse und gute Tropfen aufgetragen. Die Gäste nutzten die Gelegenheit zum Netzwerken und waren später begeistert von den vielen kreativen Fotos, die Auszubildende für den Wettbewerb „Best Azubi Pic 2025“ eingereicht hatten. Und nach der Auszeichnung der besten Azubi-Fotografinnen und -Fotografen genossen viele das „soziale Lagerfeuer“ bis weit nach Mitternacht.
Fotos: Christian Augustin; Reimo Schaaf