Nachdem die IG Metall in der jüngsten Tarifrunde ihre Forderungen längst beschlossen hatte, wurden die Arbeitgeber, so auch NORDMETALL, aufgefordert, in Gespräche um eine „Vorteilsregelung für Gewerkschaftsmitglieder“ einzutreten. Anlass war das in der chemischen Industrie gefundene Tarifergebnis, das erstmals im Flächentarifvertrag für eine große Branche eine solche Regelung vorsieht. Auch die IG Metall Küste verlangt seit einiger Zeit bei Verhandlungen zu Haustarifverträgen diese „Gewerkschafts-“ oder „Mitgliederboni“ in Form von zusätzlichen freien Tagen, Sonderzahlungen oder Sachbezügen exklusiv für ihre Mitglieder.
Aber dürfen Tarifverträge überhaupt Leistungen exklusiv für Gewerkschaftsmitglieder enthalten? Grundsätzlich gilt ein Tarifvertrag nur für diejenigen, die diesen Vertrag schließen – also für den Arbeitgeber oder dessen Verband auf der einen sowie die Gewerkschaft und deren Mitglieder auf der anderen Seite. Da aber der Arbeitgeber in der Regel nicht weiß, welche der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert sind – die Frage danach ist unzulässig –, werden in den Arbeitsverträgen sogenannte Bezugnahmeklauseln vereinbart. Dadurch werden alle Beschäftigten gleichgestellt, um den Betriebsfrieden zu unterstützen.
Inzwischen sind nach aktueller Rechtsprechung „einfache Differenzierungsklauseln“ zulässig. Die Differenzierung darf jedoch keinen unverhältnismäßigen Druck ausüben, das Recht auf Fernbleiben von einer Koalition aufzugeben. Ein bloßer Anreiz allerdings sei unerheblich. NORDMETALL vertritt die Auffassung, dass dem in dieser Pauschalität nicht gefolgt werden kann. Vielmehr sollte nach Art und Höhe des Gewerkschaftsbonus sowie nach dem Rechtscharakter der Leistung differenziert werden. Eine dauerhafte Differenzierung ist dabei per se unzulässig.
Darüber hinaus vertritt NORDMETALL die Auffassung, dass es im Interesse beider Tarifvertragsparteien sein muss, dass ein abgeschlossener Tarifvertrag für möglichst viele Beschäftigte gilt. Das stärkt die Tarifautonomie. Die Interessenvertretung der Arbeitnehmer ist aber immer mehr darum bemüht, über das öffentliche Gut des Tarifvertrags hinaus Anreize für ihre Mitglieder zu schaffen, um die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft zusätzlich attraktiv und erlebbar zu machen – nur so scheinen die Mitgliederzahlen gehalten oder ausgebaut werden zu können.
Der Wunsch der Gewerkschaft, die Mitgliedschaft erlebbarer zu gestalten, ist nachvollziehbar. Irrig ist dagegen die Annahme, dass die Mitgliedergewinnung der Gewerkschaft zulasten der Arbeitgeber sowie der nicht oder anders organisierten Beschäftigten betrieben werden kann. Durch das Einfordern von Gewerkschaftsboni wird eine gerechte Behandlung aller Beschäftigten im Unternehmen unmöglich gemacht und das von den Gewerkschaften eingeforderte Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ konterkariert. Die Spaltung der Belegschaft gefährdet den Betriebsfrieden und schwächt so langfristig die Tarifbindung. Diese kann nur durch gute Tarifverträge gestärkt werden. Dass NORDMETALL und IG Metall Küste solche gemeinsam gestalten können, haben sie nicht erst durch den im vergangenen November erzielten Pilotabschluss für die gesamte deutsche Metall- und Elektroindustrie bewiesen.
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