Integriert und GESTÄRKT

Viele Betriebe beschäftigen Schwerbehinderte. Sie übernehmen damit gesellschaftliche Verantwortung und bekommen zugleich zuverlässige und hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Für viele Unternehmen ist es selbstverständlich, Schwerbehinderte zu beschäftigen. Über den gesetzlich vorgeschriebenen Anteil von fünf Prozent müssen sie sich dabei kaum Gedanken machen. Für Betriebe, die diese Quote nicht erfüllen, wird es allerdings teuer: Ende März wurde erstmals die zum Berichtsjahr 2024 erhöhte Ausgleichsabgabe fällig.

Angesichts des Fachkräftemangels liegt für NORDMETALL in der Beschäftigung von Behinderten ein wertvolles Potenzial. „Viele Arbeitgeber beschäftigen Menschen mit Behinderungen längst nicht nur wegen der Ausgleichsabgabe, sondern weil sie die Chancen erkennen, die eine inklusive Belegschaft bietet“, so Annika Liedtke, Referentin Arbeitsmarkt bei NORDMETALL. „Ein Umfeld, das Vielfalt wertschätzt und die Fähigkeiten aller Beschäftigten gezielt fördert, stärkt die Innovationskraft, das Betriebsklima und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.“ Damit Inklusion langfristig gelingt, bieten gezielte Schulungen für die Belegschaft eine gute Hilfestellung: „Oft gibt es Berührungsängste, besonders wenn neue Kolleginnen und Kollegen mit Beeinträchtigungen in den Betrieb kommen. Weiterbildung schafft Sicherheit und fördert ein respektvolles Miteinander“, so Liedtke.

Einfache Steuerung: Carlo Weidemann (RWTH Aachen University) zeigt einen für die Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung optimierten Cobot.

Zusammenarbeit mit den Trägern

Möglichst früh mit der Weiterbildung der Schwerbehinderten zu beginnen, empfiehlt Sandra Bertl, Senior Contract Manager von Siemens Gamesa Renewable Energy. „Oft fehlen in den Unternehmen die Kapazitäten, um Personen anzulernen“, berichtet sie und fordert ein proaktiveres Verhalten der Inklusionseinrichtungen. „Die Träger setzen manchmal voraus, dass das Training komplett in den Betrieben stattfindet“, so Bertl, „dabei wäre es deutlich zielführender, wenn Behinderte, die zu uns kommen, schon Weiterbildungen durchlaufen haben.“ Als Beispiel nennt sie einen routinierten Umgang mit dem MS-Office-Paket bei Assistenzkräften für Büroarbeiten.

Oft läuft die Inklusion jedoch gut. Bertl nennt ein Beispiel: „Wir haben tolle Erfahrungen gemacht mit dem Rauhen Haus, aus dieser diakonischen Einrichtung in Hamburg unterstützt uns eine Kerntruppe von sechs Behinderten, die für Nachschub beim Druckerpapier sorgen, Küchen säubern oder Konferenzräume vorbereiten.“ Diese gelungene Zusammenarbeit führe zu einer hohen Akzeptanz in der Belegschaft. Dazu trage auch eine feinfühlige Kommunikation bei, um über neue Inklusionsprojekte im Betrieb zu informieren.

Eine Hürde liegt bei der Erfüllung der Fünf-Prozent-Quote: Die Anzahl der laut Bundesagentur für Arbeit zu vermittelnden Personen für den ersten Arbeitsmarkt ist deutlich geringer als die Anzahl der geforderten Pflichtarbeitsplätze in den Unternehmen.

„Wenn wir zusätzlich zu der Statistik mögliche Passungsprobleme und regionale Besonderheiten betrachten, wird deutlich, dass gar nicht alle Unternehmen die Quote von fünf Prozent erfüllen können“, so Annika Liedtke. „Darüber hinaus ist es im Metall- und Elektrobereich nicht immer möglich, Arbeitsplätze für Schwerbehinderte zu konzipieren – hier ist die Politik gefragt, die Vorgaben anzupassen“, fordert die Verbandsvertreterin.

Eine stärkere Sensibilisierung für Schwerbehinderung im Unternehmen könnte auch dazu beitragen, dass Beschäftigte ihrem Arbeitgeber bislang nicht bekannte Schwerbehinderungen melden und sich die Ausgleichsabgabe dadurch reduziert.

Ausgleichsabgabe – was Unternehmen wissen sollten
Nach dem Neunten Sozialgesetzbuch (§160 Absatz 3, SGBIX) haben Unternehmen ab 20 Beschäftigten einen Anteil von schwerbehinderten Menschen von fünf Prozent zu beschäftigen. Wird diese Quote nicht erfüllt, ist die sogenannte Ausgleichsabgabe fällig, die zum Berichtsjahr 2025 erhöht wurde.

Seit dem Berichtsjahr 2024 gelten folgende monatliche Sätze für Unternehmen mit 60 Beschäftigten und mehr:
– Quote 3 % – <5 %: 155 €
– Quote 2 % – <3 %: 275 €
– Quote >0 % – <2 %: 405 €
– Quote 0 %: 815 €

Sonderregelungen für kleinere Betriebe:
20–39 Arbeitsplätze: –

– weniger als 1 Beschäftigter: 155 €
– keine Beschäftigten: 235 €

40–59 Arbeitsplätze:
– weniger als 2 Beschäftigte: 155 €
– weniger als 1 Beschäftigter: 275 €
– keine Beschäftigten: 465 €

Einsatz eines Inklusionsmobils

NORDMETALL unterstützt seine Mitgliedsunternehmen durch unterschiedliche Angebote. Hierzu zählen insbesondere Informations-, Netzwerk- und Austauschformate, aber auch praktische Initiativen, wie etwa die Live-Demonstration eines Cobots gemeinsam mit der RWTH Aachen University bei Pano Verschluss in Itzehoe und beim Ventilspezialisten Mankenberg in Lübeck. Kollaborative Robotik unterstützt Menschen mit Beeinträchtigungen bei wiederkehrenden oder anstrengenden Tätigkeiten am Arbeitsplatz.

Spannende Einblicke gab dabei Prof. Dr. Mathias Hüsing von der RWTH Aachen University mit dem Projekt „IIDEA – Inklusion und Integration durch ‚Cobots‘ auf dem ersten Arbeitsmarkt“. Sein Schwerpunkt: mit Cobots Barrieren abbauen und neue Chancen schaffen. Thomas Stock, Geschäftsführer von Pano Verschluss, zeigte sich begeistert: „Der Vortrag war motivierend, auch im eigenen Arbeitsalltag gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Wir beschäftigen schon Schwerbehinderte. In unserem betrieblichen Umfeld hat es sich jedoch noch nicht ergeben, auch die Cobot-Technik für die Anstellung eines Menschen mit Beeinträchtigung zu nutzen“, so Stock, dessen Unternehmen nachhaltige Verschlüsse für die Lebensmittelindustrie herstellt. „Wir sind aber bereit, dies jederzeit zu realisieren, sobald sich eine Person findet, die wir entsprechend beschäftigen können. Diesem wichtigen Teil des Arbeitsmarktes möchten wir uns nicht verschließen“, führt der Geschäftsführer aus.

Ein Schritt, den Dr. Stefan Nehlsen, Geschäftsführer bei Mankenberg und NORDMETALL-Schatzmeister, bereits gegangen ist: „Wir nutzen in unserem Betrieb einen Cobot für Einlegearbeiten. Das ist eine eher stumpfe und daher belastende Tätigkeit, da hilft die technische Unterstützung besonders“, berichtet Nehlsen. Sein Unternehmen, spezialisiert auf Ventile und Regelungstechnik, arbeitet dabei gut mit dem Schwerbehindertenbeauftragten zusammen: „Bei uns ist die Quote daher deutlich höher, etwa bei sieben Prozent“, so Nehlsen. Das liege auch daran, dass ein ehemaliger Geselle bei den Marli-Werkstätten in Lübeck arbeitet. „Da er unseren Betrieb gut kennt, empfiehlt er uns oft Menschen, die er geeignet hält für bestimmte Aufgaben, die wir dann gern in die Werkstätten verlagern“, sagt Nehlsen.

Großes Interesse bei Pano Verschluss in Itzehoe: Der Sprinter der RWTH Aachen enthält alles, was zur Demonstration eines behindertengerechten, cobotunterstützten Industriearbeitsplatzes nötig ist.

Bindung von Fachkräften

Er kennt aber auch die Herausforderungen, die eine Beschäftigung von Menschen mit Einschränkungen mit sich bringen kann. „So benötigte ein Mitarbeiter im gewerblichen Bereich kürzlich einen besonderen Gehörschutz“, sagt Nehlsen. „Das ist dann mit Kosten verbunden, doch als Traditionsunternehmen haben wir auch eine gesellschaftliche Verantwortung, die wir gern erfüllen.“ In der Praxis kommen zunehmend auch „Cobots“ zum Einsatz. Mithilfe einer kollaborativen Robotik können Menschen mit Beeinträchtigungen besser integriert werden. In diesem Jahr hat NORDMETALL deshalb ein besonders für die Produktion in der Metall- und Elektrobranche geeignetes Inklusionsmobil in den Betrieben Pano Verschluss GmbH in Itzehoe und Mankenberg GmbH in Lübeck vorgestellt. Eine weitere Veranstaltung ist für den 26. Januar 2026 beim Marinetechnologieanbieter TKMS in Kiel geplant.

Für Nehlsen ergibt sich daraus ein weiterer positiver Effekt: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen natürlich, dass bei uns auch nach einer schweren Erkrankung niemand fallen gelassen wird – so können wir mit unserem Engagement für die Inklusion zugleich die Bindung von Fachkräften an unser Unternehmen weiter stärken.“

Dem stimmt auch Annika Liedtke von NORDMETALL zu: „Lediglich drei Prozent der Schwerbehinderungen sind angeboren, alle anderen werden im Laufe des Lebens und überwiegend durch Krankheiten ausgelöst. Unterstützende Angebote wie Cobots können dazu beitragen, Beschäftigte nicht zu verlieren. Zusätzlich zu Cobots gibt es eine Vielzahl an weiteren Hilfsmitteln und Maßnahmen. Dazu zählen etwa die unterstützte Ausbildung oder das Budget für Arbeit.“

Cobot im Einsatz: Nebras Qreni (l., RWTH Aachen) lässt bei Mankenberg den Roboter arbeiten.

Weitere Links und Informationen

Firmenservice der Deutschen Rentenversicherung:
Unterstützung bei der Rehabilitation und Gesundheitsförderung von Mitarbeitenden.
https://tinyurl.com/27p63887

Eingliederungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit:
Lohnkostenzuschuss zur Förderung der Beschäftigung von Arbeitsuchenden mit Vermittlungshemmnissen.
https://tinyurl.com/jdb2mwv2

Technischer Beratungsdienst der Bundesagentur für Arbeit:
Unterstützung für Unternehmen, die Menschen mit Schwerbehinderungen oder Rehabilitanden
beschäftigen möchten.
https://tinyurl.com/yr3h4amw

Veranstaltungshinweis:
„IIDEA – Inklusion und Integration durch Cobots auf dem ersten Arbeitsmarkt“
am 26. Januar 2026
bei TKMS in Kiel

Kontakt:
Annika Liedtke
Tel.: 040 6378-4208
E-Mail: liedtke@nordmetall.de

Fotos: Mankenberg; Christian Augustin; Adobe Stock (Daniel Berkmann)

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